Die Landsdorfs gehören zum 60-köpfigen Ensemble der Lohner Freilichtbühne. Jedes Jahr kommen bis zu 20.000 Menschen, um die Laienspieler zu sehen. Was sie nicht sehen: Wie viel Arbeit für den gesamten Verein dahintersteckt.
Ein Chinese, ein Affe und eine Maus: Der 12-jährige Malte liebt die Verwandlung. Hanna durfte bislang nur ein Stein sein. Aber das macht nichts, Maltes Schwester ist noch klein und wird sicher noch größere Rollen bekommen. Das achtjährige Mädchen hat schon ziemlich viele Wochenenden auf der Freilichtbühne zugebracht, im Grunde ihr ganzes Leben lang. Unter hohen Laubbäumen liegt die Bühne idyllisch und doch Mitten in der Stadt. Im Frühjahr schimmert die Sonne zwischen den Blättern herunter auf die Bühne und auf das imposante Zeltdach, unter dem bis zu 750 Zuschauer Platz nehmen.
Mehr als 200 Menschen haben im Verein Lohner Freilichtbühne e. V. ihr Hobby gefunden. Sie stehen auf der Bühne, singen, schauspielern, reißen Karten ab, braten Würstchen für die Besucher, werkeln am Bühnenbild, nähen Kostüme, schminken die Schauspieler in der Maske, putzen die Bänke, verlegen Kabel, setzen die Darsteller ins rechte Licht und sorgen für den guten Ton.
Herrin über die Requisite
Malte und Hanna gehören fast von Geburt an zum Team. Das liegt an ihren Eltern, Sabine und Klaus Landsdorf. Das Paar ist 2004 nach dem Studium zurückgekehrt und suchte nach Anschluss. Durch Sabines Cousin sind sie „da so reingerutscht“. Es war eine gute Möglichkeit, um Menschen kennenzulernen. Sabine fand sofort Spaß am Bühnenbau und am Malen der großen Bühnenbilder. Inzwischen ist die zweifache Mutter die Ressortleiterin Requisite, ist Herrin über etliche Möbelstücke, Kleider, Fahrzeuge, Waffen und alles, was eben zu einem Theaterstück dazugehört und den Dachboden in dem Haus hinter der Bühne füllt.
(Wir bitten den schlechten Ton im Video zu entschuldigen)
Die Freilichtbühne ist hierarchisch organisiert. Mit Chefs, Ressortleitern und und und. Ordnung muss sein, trotz oder gerade wegen der vielen kreativen Köpfe. Klaus hat sich zunächst für die Technik hinter der Bühne begeistert. Die Tontechnik und das Licht haben es ihm angetan. Doch inzwischen hat er auch auf der Bühne gestanden. „Das ist ein tolles Gefühl“, räumt er leise ein, als wenn er sich dafür entschuldigen wollte. Aber ein bisschen Rampensau müsse man eben doch sein. Oder – so wie bei Klaus – die Rampensau in sich entdecken. Inzwischen ist er sogar noch weiter gegangen. Er hat die Regie der Plattdeutschen Bühne in Bokern-Märschendorf übernommen – als gebürtiger Sachse.
Die Freilichtbühne bestimmt das Familienleben. Kaum ein Sonntag, an dem die Landsdorfs und ihre Mitstreiter nicht auf dem Gelände im Stadtpark anzutreffen sind. Schließlich stehen jährlich ein Familien- und ein Abendstück auf dem Plan der Laiendarsteller. So beginnen die Proben, bereits im Dezember. Vorher schon rattern die Sägen und dröhnen die Bohrer beim Kulissenbau. Im Mai startet die Saison, die bis September geht. „Und danach fangen wir eigentlich schon wieder mit der Planung für das nächste Jahr an“, sagt Sabine Landsdorf.
Das Besondere: Wer will, wechselt jedes Jahr die Aufgabe. Klaus steht in einem Jahr auf der Bühne, im nächsten Jahr kümmert er sich um die Werbung. „Je nachdem, was du dir in diesem Jahr an Arbeit zumuten möchtest“, sagt Sabine. Aber zeitintensiv ist es eigentlich in jedem Jahr, nur jedes Jahr anders.
Jede Rolle ist wichtig
Hanna und Malte Landsdorf sind seit ihrer Geburt dabei. „Ich bin hier aufgewachsen“, sagt Malte. Im „Dschungelbuch“ hatte er seine erste Rolle als Affe. Bei „Jim Knopf“ hat er einen Chinesen mit Gitarre gespielt. Bei „Madagaskar“ – das Stück für 2022 – soll er demnächst einen Lemuren darstellen. „Jede Rolle ist wichtig,
egal wie klein. Wir wollen immer unser Bestes abliefern“, betont seine Mutter.
Ab und zu darf aber auch über den einen oder anderen Hänger gelacht werden. Im Nachhinein. Das Meiste merke das Publikum nicht, wenn beispielsweise ein Schauspieler im Trenchcoat keine Zeit mehr hatte, eine Hose drunter zu ziehen, erinnert sich Klaus Landsdorf.
Senf in der Banane
Besonders während der letzten Vorstellung in jeder Saison werden die Hauptdarsteller von ihren Vereinskollegen auf eine harte Probe gestellt. Malte erinnert sich noch an das Dschungelbuch, als sie dem Mogli-Darsteller Senf in eine Banane gespritzt hatten. „Der musste sich ganz schön zusammenreißen.“ Wenn das überstanden ist, gibt es ein großes Fest für alle Mitwirkenden. Alle, die sonst hinter der Bühne stehen, bereiten ein kleines Theaterstück vor. „Da können wir schon Talente fürs nächste Jahr entdecken“, nennt Klaus Landsdorf einen Nebeneffekt der Party. Aber vor allem geht es darum, diejenigen hinter den Kulissen zu würdigen. Auch das gehört bei der großen Freilichtbühnen-Familie dazu. Jede Rolle ist wichtig.
Theater in Lohne Umsäumt von den alten Eichen des Lohner Stadtparkes bietet die Freilichtbühne ihren Besuchern eine perfekte Kulisse. Und perfekte Unterhaltung. Zwei Stücke zeigt die Laienschar jedes Jahr. Eines für Kinder und eines für Erwachsene. Das Schauspielen auf der Freilichtbühne hat Tradition. Seit den 1930er-Jahren gibt es das Theater in der Stadt. Wer eine Aufführung des Theaterringes besuchen möchte, schafft es oft nur auf die Warteliste. So beliebt sind die Stücke der Tourneetheater, die in der Aula des Lohner Gymnasiums gastieren. Ein Grund: Die vielen Fernsehgrößen, die gemeinsam mit den Kompanien Halt machen. Ellen Schwiers zum Beispiel, Hardy Krüger jr. oder Hannes Jaennicke. Der Theaterring zeigt fünf Stücke pro Saison. Platt schnacken, mindestens aber verstoan sollte, wer den Weg in die Märschendorfer Schützenhalle findet. Von Ende Januar bis Mitte März bietet das Laienensemble Bokern-Märschendorf bodenständiges Kulturgut. In den vergangenen drei Jahrzehnten hat sich die Theatergruppe damit über Lohnes Grenzen hinweg einen Namen gemacht.