Alter, sind die noch jung!

Sefi Brokamp, Hans Hogeweg und Marianne Thoben

By In Senioren

Der demographische Wandel schreitet selbst in der jungen Stadt Lohne voran. Die Zahl der Senioren steigt. Wie es sich im Alter in dieser Stadt lebt, das haben drei Menschen gefragt.

Acht Jahre Rente – das reichte Josefa Brokamp und ihrem Mann Alois. Sie waren zwei- bis dreimal im Jahr im Urlaub
und ließen es sich auch sonst gut gehen. Jetzt wird wieder gearbeitet, sagte die resolute Frau eines Tages. Da war sie 71, Alois ging auf die 75 zu. „Ich kann doch meinen Laden nicht so einfach sterben lassen“, begründet sie.
Hans Hogeweg genießt dagegen den Ruhestand. Aber auch nur, weil der täglich voller Termine steckt. Sprachkurse, Computerkurse, Seniorenbeirat. Der 79-Jährige ist täglich in Lohne unterwegs. Und obwohl er erst mit dem Ruhestand so richtig in der Stadt angekommen ist, kennen ihn inzwischen viele Leute. Ruhestand: Für Marianne Thoben bedeutet er vor allem, nicht allein zu sein. Die Zeit mit anderen Senioren genießen, von früher erzählen. Im Seniorenheim St. Elisabeth-Haus hat sie ihre neue, wie sie sagt, ihre letztes Heim gefunden.

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Alt sein in Lohne – das bedeutet für viele Rentner vor allem eins. Das Leben genießen. Dinge machen, zu denen man im Berufsleben keine Zeit hatte, sich für andere einsetzen, helfen, wo es geht, der Gesellschaft etwas zurückgeben. Oder eben, einfach wieder arbeiten, weil es ohne ja auch keine Spaß macht.

Josefa Brokamp, die alle nur Sefi nennen, steht morgens um 5 Uhr zusammen mit ihrem Alo im Laden. In der Fleischerei schmiert sie dutzende Brötchen für die Handwerker, die gegen 6 Uhr anrücken, um sich vor der Arbeit mit Frühstück zu versorgen. Elsken Lissi, so nennen sie die Besitzerin des gleichnamigen Supermarkts an der Bakumer Straße. „Ich bin aber nicht Lissi“, stellt Sefi Brokamp klar. „Elsken Lissi war meine Tante.“ Die hat vor vielen Jahrzehnten einen Laden, damals noch auf der gegenüberliegenden Straßenseite, eröffnet. 50 Jahre stand Elsken Lissi
im Laden, ohne einen Tag zu fehlen, berichtet Sefi Brokamp. Das war ihre Pflichterfüllung, bis sie 76 war und starb. Danach übernahm die gelernte Bürokauffrau den Laden von ihrer Tante.

„Ich bin nicht Elsken Lissi!“

Sefi Brokamp stellt etwas klar

Seine Pflicht erfüllt, das hat auch Hans Hogeweg, als er 1972 aus dem Rheinland nach Lohne zog. Er war Oberstleutnant bei der Bundeswehr auf dem Diepholzer Fliegerhorst. Acht Jahre tat er seinen Dienst, dann ging es zurück nach Mönchengladbach. 1985 bewarb er sich bei der Nato und ging mit der Familie zu der Militärorganisation
nach Brüssel. Damals dachte der Familienvater nicht daran, dass er 20 Jahre später nach Lohne zurückkehren
würde.

Marianne Thoben lebt im Seniorenheim St. Elisabeth Haus

Für Marianne Thoben war es ein vermeintlich kleiner Schritt, aus dem Haus in Kroge, in dem sie 60 Jahre gelebt und sieben Kinder aufgezogen hat, nach Lohne. Und doch war er gewaltig für ihr Leben. „Es war eine bittere Zeit“, erinnert sich die 85-Jährige. Ihr Mann war gerade gestorben, und auch sie selbst war gesundheitlich angeschlagen. Das Geld reichte ebenfalls nicht hinten und nicht vorne und so entschloss sie sich, ins Seniorenheim
St. Elisabeth-Haus in Lohne zu ziehen. Sie gab ihren Garten auf, in dem Sie so gerne gesessen und gearbeitet hatte. „Ich träume noch so viel von unserem Haus“, sagt sie und lächelt.

Von wegen „fähiger junger Mann“

Ums liebe Geld ging es auch bei Sefi Brokamp, als sie gesehen hat, wie ihr Nachfolger den Supermarkt an der Bakumer Straße heruntergewirtschaftet hatte. Sie wohnt ja auch noch direkt nebenan. Sie war 63 Jahre alt, als ihr die Bünting-Gruppe angeboten hatte, den Laden an einen „fähigen jungen Mann“ zu vermieten. Das hörte sich gut an. Nach all der Plackerei im Laden, dem täglich frühen Aufstehen, ja sogar nach der ganzen Sonntagsarbeit, wollten Sie es sich nun gutgehen lassen.


Viel war sie mit Alois in der Welt herumgereist. „Uns ging es richtig gut“, sagt sie. Aber dann hatte der „fähige junge Mann“ nach acht Jahren den Laden vor die Wand gefahren. Sollte Sefi Brokamp das Geschäft sterben lassen, in dem sie 40 Jahre lang gearbeitet hatte? Nein. Das ging nicht. Kurzerhand überlegte sie sich ein zukunftsträchtiges Modell. Das Ehepaar investierte kräftig in neue Kühlschränke, Kassen, Leergutautomaten und Einrichtung und machte ihren Großneffen Philipp zum Geschäftsführer. Seitdem brummt der Laden wieder.

Eifersüchteleien der Staaten waren „das Salz in der Suppe“.

Hans Hogeweg über seine Arbeit bei der NATO

Hans Hogeweg ist in ganz Europa herumgekommen, hat griechische Flugplätze inspiziert, italienische Militäranlagen und französische Luftabwehr. Zwölf-Stunden-Arbeitstage waren Standard. Seine Dienstsprachen waren Englisch und Französisch. Auf niederländisch hat er sich in seinem Sportfliegerclub unterhalten, der in der Nähe der deutschen Grenze lag. Wie bei internationalen Organisationen üblich, kosteten ihn die vielen Eifersüchteleien zwischen den Staaten eine Menge Arbeitszeit. „Aber das war das Salz in der Suppe“, sagt Hogeweg. Er wollte es nicht missen. Auch nicht die Jazzclubs in der belgischen Hauptstadt.


Brüssel, das war seine Traumstadt. Einige Jahre vor seiner Pensionierung stand für Familie Hogeweg fest: Wir bleiben hier. Doch dann erfuhr er, dass Renten in Belgien mit bis zu 50 Prozent versteuert werden. „Wir hätten uns
unser Leben nicht leisten können.“ Daraufhin schlug Hogeweg Frankreich vor. Doch die Familie wollte lieber zurück nach Deutschland – am liebsten nach Lohne. Denn dort hatten die Hogewegs noch viele Freunde.

„Danke gut, Herr Bürgermeister.“

Marianne Thoben hält den Seniorenheimleiter für das Stadtoberhaupt


Die Freunde, das sind für Marianne Thoben jetzt die Mitbewohner im St. Elisabeth-Haus. 14 Tage hat sie gebraucht, bis sie sich eingelebt hatte und die Angst vor dem Neuen und Unbekannten verflogen war. „Wir backen viel zusammen“, erzählt die 85-Jährige. Schon nach kurzer Zeit im neuen Heim hat die begeisterte Sängerin einen Chor auf die Beine gestellt. „Das Singen hält uns jung und fit“, meint Marianne Thoben. Die Ausflüge in die Umgebung machen ihr auch viel Spaß. Auf einer der ersten Fahrten war Heimleiter Andreas kleine Bornhorst dabei. „Das ist
unser Bürgermeister“, hatten die anderen Bewohner zu Marianne Thoben scherzhaft gesagt. Als sich kleine Bornhorst dann bei ihr erkundigte, wie ihr der Ausflug gefalle, antwortete sie nur: „Danke gut, Herr Bürgermeister.“

Smartphone-Kurse für Senioren

Hans Hogeweg hat häufiger mit Bürgermeistern zu tun, ehemaligen und aktuellen. Dass er sich nach seiner Rückkehr nach Lohne engagieren wollte, war klar. Aber wie, das wusste er noch nicht. Bis er ins Ludgerus-Werk kam. Die Volkshochschule bot damals einen Computerkurs zum Linux-Betriebssystem an. Der Kurs kam zwar nicht zustande. Aber dafür lernte er den Referenten für berufliche Bildung kennen. Markus Graw ist auch ehemaliger Berufssoldat und auch Flieger. Die Chemie zwischen beiden stimmte sofort. „Seitdem gebe ich im Ludgerus-Werk Kurse“, sagt
Hogeweg, zunächst in Englisch, Französisch und Niederländisch.


Später kamen Seminare für den Seniorentreffpunkt hinzu. Er zeigt den Rentnerinnen und Rentnern geduldig und mit viel Ruhe, wie sie ihr Smartphone oder ihren Tablet-Computer richtig benutzen. Auch Ehrenbürgermeister Hans Diekmann war schon in einem seiner Kurse und hat sich von Hogeweg das Smartphone erklären lassen, dass ihm seine Kinder zu Weihnachten geschenkt hatten.


Außerdem engagiert sich Hans Hogeweg im Seniorenbeirat der Stadt. Dieses Gremium berät den Stadtrat und den Bürgermeister bei Angelegenheiten für Senioren. Egal, ob es sich um die Situation der Heimplätze dreht, abgesenkte Bordsteine für Rollstuhlfahrer oder Veranstaltungen für alte Leute: Hans Hogeweg mischt sich gemeinsam mit seinen Kollegen vom Seniorenbeirat ein. Zwei Motive hat der ehemalige Nato-Mitarbeiter: „Ich möchte helfen und das Gefühl haben, gebraucht zu werden.“

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Stefan Freiwald

Wann tritt Sefi kürzer?

Das Gefühl, noch gebraucht zu werden, hat Sefi Brokamp während ihres achtjährigen Ruhestands auch ein wenig vermisst, gibt sie zu. Als sie zurück in ihren Laden kam, hat sich das schlagartig geändert. Ein Plausch mit den Kunden gehört dabei wie selbstverständlich für sie dazu. Sie ist die Seele von Elsken Lissi. Kein Wunder, dass es nach Ihrer Rückkehr wieder läuft in dem kleinen Supermarkt, trotz großer Konkurrenz in der Umgebung
und trotz der Discounter.


Ihr Tag startet morgens um 5 und endet erst nach Ladenschluss um 19 Uhr. „Ich will bald etwas kürzertreten“, sagt sie. „Das sagst du schon seit Jahren“, entgegnet ihr Mann Alois. Sefi Brokamp lacht. „Dann müsst ihr mich hier eben irgendwann hier raustragen.“

Anlaufstellen für Seniorinnen und Senioren
Ihre erste Anlaufstelle finden ältere Lohnerinnen und Lohner im Rathaus an der Vogtstraße. Im Amt für Familie und Soziales ist die Seniorenberatung angesiedelt. Die Mitarbeiter helfen zum Beispiel mit Informationen über das Freizeitangebot in Lohne. Sie sind da, wenn ältere Menschen Beratung brauchen, weil sie Behördenpost nicht verstehen oder sich über den Hauptgewinn eines mysteriösen Preisrätsels wundern. Sie vermittelt Kontakte zu Kirchen, Vereinen, Verbänden und Hilfsorganisationen. 

Im Seniorentreffpunkt Lohne in der Brinkstraße 41 treffen sich ältere Menschen in ihrer Freizeit, um sich auszutauschen, Vorträge zu hören oder Computer-Schulungen und andere Weiterbildungskurse zu besuchen. Als Interessensvertretung der Lohner Senioren wurde 2012 der Seniorenbeirat gegründet. Er ist das politische Sprachrohr der älteren Bevölkerung. Die Arbeit des Seniorenbeirats wird von den Mitarbeiterinnen des Seniorentreffpunktes
Lohne unterstützt. 

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